Vorläufige Vereinschronik des Gemischten Chores Bangstede-Westerende

Als an einem Abend im November 1946 der Lehrer Menno Harms aus der Haustür seiner Lehrerwohnung in die kühle Abendluft trat, hörte er Stimmen aus dem angrenzenden Klassenraum. Er wusste, dass sich dort seit einigen Wochen junge Leute aus dem Dorf treffen. Er eilte durch die Dunkelheit über den Schulhof. Es waren nur ein paar Schritte bis zum Schulgebäude. Als er die Klassentür öffnete, blickte er in überraschte Gesichter. Auf seine Frage, was hier geschehe, erzählte ihm einer von den Anwesenden, dass man eine Jugendgruppe gründen möchte. Darauf machte Harms den Vorschlag: „Wollen wir nicht einen Chor gründen?“ Menno Harms war erst vom Kurzem von Petkum nach Bangstede gekommen. In Petkum hatte er bereits vor 25 Jahren einen Chor gegründet, den er auch jetzt noch leitete. Ob er schon mit dem Vorhaben nach Bangstede kam, auch hier einen Chor zu gründen oder ob ihn erst der Anblick der jungen Leute auf die Idee brachte, weiß man nicht. Sicher ist aber, dass er die Musik liebte und mit ganzem Herzen und großer Leidenschaft Chorleiter war. Er wusste, daß auch hier in Bangstede nach dem unglückseligen Krieg in vielen Familien Trauer herrschte, wusste aber auch um die trostspendende und herzerfrischende Wirkung des Chorgesangs, die dem Menschen ein Stück Lebensfreude zurückgeben kann. Auch die jungen Leute aus dem Klassenraum strebten nach den entbehrungsreichen letzten Jahren einfach wieder nach Leben, Gemeinsamkeit und Entfaltung. Bei ihnen fiel der Vorschlag von Harms auf fruchtbaren Boden. Einige von ihnen, darunter auch das Gründungsmitglied und der spätere langjährige Vorsitzende Jasper Jaspers, gingen durchs Dorf und informierten seine Bewohner. Schon an dem ersten Übungsabend erschien eine stattliche Anzahl von Sangesfreudigen, und der Bangsteder Chor war geboren. Die Begeisterung der Gründungsmitglieder wirkte ansteckend und innerhalb von 2 Jahren wuchs der Chor auf mehr als 80 Sängerinnen und Sänger. Es klingt unglaublich, aber schon ein halbes Jahr nach seiner Gründung war der Chor dank der Bekanntheit seines Chorleiters zum 100-jährigen Jubiläum des Emder Gesangvereins eingeladen. Mit dem „Sanctus“ von Franz Schubert und „Das Waldhorn“ im Satz von Friedrich Silcher ließ er die Fachwelt aufhorchen. Zahlreiche Chorereignisse reihten sich in den nächsten Jahren an, wie z.B. ein Liederabend des Gesangvereins „Friesland“, das Weihnachtssingen in der Kirche zu Bangstede und der erste Sängertag des Ostfriesischen Sängerbundes auf Norderney, wo sich der Chor mit „Schön Rohtraut“ in die Herzen der Zuhörer sang. In den Jahren 1949 und 1950 veranstaltete der Chor Sängertage in Festzelten mit 6 bzw. 8 weiteren Chören. Die damaligen Liederblätter und Programme hatten noch ein etwas opulenteres Aussehen als die heutigen.

In den 50-er Jahren wurde auch der Bangsteder Chor vom Reisefieber gepackt. Die damaligen Ausflüge waren für manche der Mitreisenden die ersten längeren Reisen überhaupt und somit große Erlebnisse. Ausflug des Chores
Gemeinsamer Ausflug des Chores nach ?
So sollen einige Mitfahrer angesichts der ersten Berge schier aus dem Häuschen geraten sein. Die Fahrt nach Heil bei Unna im Jahr 1952 kam durch Verbindungen zu einem dort lebenden ehemaligen Sangesbruder zustande. Den Weg dorthin führte durchs Weserbergland mit einem Abstecher zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Im Jahr 1959 wurde eine mehrtägige Rhein-Mosel-Fahrt unternommen. So steil der Anstieg der Mitgliederzahl in den ersten Jahren war, so rapide ging sie aber auch zurück. Ende 1956, also 10 Jahre nach der Gründung, zählte der Chor nur noch 30 Mitglieder. Grund dafür war in erster Linie die Abwandung von Chormitgliedern wegen der schlechten Arbeitsmarktlage in Ostfriesland aber auch die Wegheirat von jungen Sängerinnen. 1964 wurde Jasper Jaspers Nachfolger des bisherigen Vorsitzenden Arnold Harms. Arnold, ein Sohn des Chorgründers, wurde zum Ehrenliedervater ernannt. Jasper schrieb einst für eine Chronik, dass der 24.11.65 wohl der traurigste Tag seit Bestehen des Chores war. Wegen zu geringer Beteiligung mußte der Übungsbetrieb vorläufig eingestellt werden. Auch Jaspers damaliger Aufruf an alle ehemaligen Chormitglieder blieb zunächst erfolglos. Stattdessen jedoch kam es im Jahr 1968 zu einer glücklichen Fügung. Ein im Nachbarort Ludwigsdorf bestehender Chor stand wieder einmal ohne Chorleiter da. Malermeister Gerd Lichtsinn, unermüdlicher Motor und Betreiber des Chores geriet auf seiner Suche nach einem neuen Chorleiter schließlich an Menno Harms, damals schon Lehrer im Ruhestand. Dieser erklärte sich unter der Bedingung zu einer Übernahme bereit, dass sich die Ludwigsdorfer mit dem Bangsteder Chor vereinigen. Die Ludwigsdorfer gingen diese Bedingung ein. Der Name „Gemischter Chor Bangstede“ wurde beibehalten. Jasper wurde 1. und Gerd Lichtsinn 2. Vorsitzender. Es wurde abwechselnd in den Schulen in Ludwigsdorf und Bangstede, später auch in der Gaststätte Schmidt in Ludwigsdorf, geprobt. Erneut vor einem großen Problem stand der Chor nach dem Tode von Menno Harms Ende 1970. Doch auch jetzt zahlte sich der absolute Überlebenswille aus. Jasper gelang es, den Lehrer Wilfried Frost, der damals schon den Westerender Männerchor leitete, zu gewinnen. Der Übungsbetrieb mit ihm begann am 14.1.1971 in der Gaststätte Germann.Unter Wilfried Frost, sein Name stand für ein außergewöhnliches musikalisches Gehör, für Disziplin und Gründlichkeit, erlebte der Chor einen kaum für möglich gehaltenen Aufschwung. In den nächsten Jahren wuchs er auf mehr als 60 aktive Mitlieder an, die zu einem großen Teil aus neuen Einzugsgebieten kamen. Das 25-jährige Jubiläum fand in Ermangelung anderer geeigneter Räumlichkeiten in Ostgroßefehn in der Festhalle statt. Jasper, seine Frau Eva und seine Schwester Regina erhielten aus der Hand des damaligen Bundesvorsitzenden Rudolf Jänicke die Ehrennadel für 25-jähriges Chorsingen. Im Zusammenhang mit Herrn Frost sei noch erwähnt, daß er dem Chor eine Satzung gab. Ein herausragendes Ereignis war die Aufnahme einer Schallplatte mit Musikgruppen und Chören aus Ihlow im Herbst 1980. Sie wurde mit den Liedern „Heimatmelodie“ und Amacing Grace“ besungen. Aus gesundheitlichen Gründen musste Herr Frost im Frühjahr 1982 die Leitung des Chores aufgeben, aber nicht ohne vorher einen Nachfolger gewonnen zu haben. Die Sängerinnen und Sänger warteten gespannt auf den ersten Übungsabend mit ihm, den er mit ungewohnten Stimmübungen und einem Lied mit bislang nicht gekanntem Schwierigkeitsgrad begann. Es hieß Capriccio und kam aus Italien. Eine Vorliebe für Lieder aus südlichen Ländern war auch später bei Herrn Vorberg immer wieder zu spüren. Der Chor wuchs mit den Anforderungen und war stolz auf das Erreichte. Anlässlich des tragischen Unfalltodes seiner Tochter Karin im September 1983 rief Herr Vorberg die Stiftung Karin Vorberg ins Leben, mit welcher er ein Entwicklungshilfeprojekt in Indien unterstützt. Aus Solidarität mit ihm veranstaltete der Chor noch im selben Jahr zusammen mit weiteren Chören ein Weihnachtskonzert, um den Erlös in seine Stiftung einfließen zu lassen. Dieses Konzert wurde alljährlich Anfang Dezember bis zum Jahre 2017 aufgeführt. Durch ständigen Einbau neuer Elemente versuchten der Chor, die Attraktivität der Veranstaltungen zu erhalten, wie z.B. mit der Einbeziehung von Engeln und der Aufführung gesungener Krippenspiele mit der heiligen Familie und den 3 Königen. Der Bangsteder Chor ist dankbar für die Unterstützung aller Chöre und Musikgruppen, die in all den Jahren bei den Weihnachtskonzerten mitgewirkt haben.

Das 40-jährige Jubiläum im Jahre 1986 wurde zum Großereignis. Feier des 40-jährigen Jubiläums
Feier zum 40-jährigen Bestehen des Chors
Es wurde ein Kreisgruppensängerfest in der Mehrzweckhalle in Ihlowerfehn mit 13 teilnehmenden Chören veranstaltet. Bürgermeister Günther Lüttge konnte als Schirmherr gewonnen werden. Von der Bühne herab bot sich ein beeindruckendes Bild auf die mit annähernd 1000 Besuchern besetzte Halle. Am Jubiläumsabend eine Woche davor erhielt Jasper vom Ehrenvorsitzenden Rudolf Jänicke in einem sehr feierlichen Rahmen die Schubert-Plakette überreicht. Herr Jänicke fand hierfür sehr rührende Worte. Gerd Lichtsinn erhielt für 20-jährige Vorstandsarbeit die Goldene Nadel des Sängerbundes Nordwestdeutschland. Eva Jaspers wurde für 40 Jahre und Riki Janssen für 25 Jahre geehrt. Die Festansprache hielt der Ehrenvorsitzender Arnold Harms. Auch an Ereignisse in der Folgezeit erinnert man sich gerne. Solche waren die unvergessenen Abende in Tinis Sömmerköken. Für die musikalische Gestaltung des Abends wurden der Chor von Tini mit Kuchen und Getränken verwöhnt. Da waren die Auftritte in der Tanzschule Löschen, die durch das tanzende Sängerehepaar Heye und Dini Ubben zustande kamen. In dieser Zeit war das Tanzlied „Holskendanz“ mit 3 oder 4 tanzenden Paaren in Kostümen der besondere Clou. Das Reisen ist seit jeher eine Lust des Chores. In den 50-er Jahren begonnen, wurde sie in den 70ern wieder neu entfacht und führte den Chor zu so manchen Zielen, z.B. ins Weserbergland im Sommer 1976, zu den Herrenhäuser Gärten im Jahr 1979, nach Bremen im Juni 83, in das Butjardinger Land im September 87, wo wir einem Buddelschiffbauer zusahen, und nach Bremerhaven im September 89. Bis zum Ende seiner Amtszeit als Vorsitzender betätigte sich Jasper stets als excelenter Planer und Durchführer aller Busreisen.

Gemeinsame Fahrradtour zu interessanten AusflugszielenGroßer Beliebheit erfreuen sich seit vielen Jahren auch die Fahrradtouren, früher ebenfalls von Jasper, danach vom Festausschuß vorbereitet. Die weiteste Entfernung dabei war wohl Greetsiel. Von manchen Fahrten blieben wunderschöne Erinnerungen zurück, wie von einer Fahrradtour ums Ewige Meer im Jahre 1984, nach Oldersum im Jahre 1988 und ums Große Meer im Jahre 92. Dabei ließ man sich auch von Regenwetter nicht die Laune verderben. Meistens endeten die Fahrten bei einem Chormitglied im Garten oder in geeigneten Räumen, wo der Hunger oft mit Gegrilltem gestillt wurde. Mit einem Gespür für gute Akustik rüttelte Helmut Vorberg unterwegs auf unseren Fahrten an vielen Kirchentüren und verhalf seinen Sängerinnen und Sängern damit zu manchem beeindruckenden Klangerlebnis, wie z.B. in einem Gewölbe in Bad Bentheim oder in dieser Kirche in Eilsum. Er fand aber auch nichts dabei, sich mit uns mitten auf den Deich in Cuxhaven zu stellen und Passanten mit einem Liedvortrag zu verblüffen. Auch die Kirche in Jork im Alten Land lernte vor einem Jahr den Klang unseres Chores kennen. Gemütliches Beisammensein nach einer gemeinsamen FahrradtourWeitere regelmäßige Punkte im Jahresprogramm sind die alljährlichen Herbstfeste, gemütliche Weihnachtsfeiern mit allem, was weihnachtlich ist, Singen in den Kirchen Westerende, Ihlowerfehn und Bangstede, und beim Gottesdienst am Ihlower Bootshafen, die Jahreshauptversammlungen sowie Liedvorträge in Seniorenwohnheimen und auf Weihnachtsfeiern und schließlich Besuche von Festen befreundeter Chöre. Ein ganz besonderes Betätigungsfeld stellten die Ferienprogramme der Gemeinde Ihlow dar, an denen sich der Chor insgesamt 10 mal beteiligte. Ein bedeutender Markstein in der Vereinsgeschichte war das 50-jährige Bestehen im Jahre 1996, aus dessen Anlaß es 3 Veranstaltungen gab, und zwar den Sängerfamilientag in Bangstede mit einer phantastischen Atmosphäre auf dem Platz zwischen Schule und Kirche, einen Kommersabend mit vielen Ehrengästen, einer Chronik, mehreren Ehrungen und einer Modenschau. Ein Jubiläumsfest mit den Gastchören Windsbraut Petkum und „Frohsinn“ Westerende und der Wiederholung der Modenschau rundete den Reigen ab. Auf der Jahreshauptversammlung im Febr. 1997 gab Jasper den Vorsitz im Chor ab, und die bisherige 2. Vorsitzende Hannelore Freimuth wurde zu seiner Nachfolgerin gewählt.

Hannelore Freimuth trat im Herbst 1977 dem Chor bei, 1980 wurde sie zur Kassierin gewählt, 1992 zur 2. Vorsitzenden und am 21.2.97 zur 1. Vorsitzenden. Sie ist sehr rührig, kümmert sich um viele Dinge und ist immer auf Ausgleich bedacht. Dass die Harmonie im Chor schon immer eine große Rolle spielte, drückt sich schon darin aus, daß es während des mehr als 70-jährigen Bestehens nur 4 Vorsitzende und ebensowenig Chorleiter hatten. Einige Unruhe jedoch verursachte im Februar des Jahres 2005 der Namensanhang „Westerende“ an den bisherigen Namen „Gemischter Chor Bangstede“. Der Vorstand hatte sich nach reiflicher Überlegung dazu durchgerungen und dafür eine große Mehrheit im Chor erzielt. Dass es danach zu einigen Vereinsaustritten kam, war sehr bedauerlich. Chorleiter Helmut Vorberg teilte im März 2005 mit, dass er seine Chorleitertätigkeit zum Ende des Jahres aus Altersgründen aufgeben möchte. Im Herbst des letzten Jahres richtete der Chor sein letztes Herbstfest mit ihm aus und bereitete ihm einen würdigen Abschied. Auf der Suche nach einem Nachfolger blieb man trotz großer Anstrengungen zunächst erfolglos. Chorprobe mit unserem Chorleiter Heere Wurpts Eine fast sicher geglaubte Kandidatin sprang wieder ab. Bei der Suche nach einem Nachfolger engagierte sich Schriftführer Gerhard Ubben ganz besonders. Schließlich begann er, Vorsitzende und Chorleiter von anderen Chören der Reihe nach anzurufen und sie nach geeigneten Personen zu fragen. An einem Abend im November schließlich telefonierte er mit Heere Wurpts, Leiter des Kirchenchores Riepe und des MGV Oldersum, stellte ihm die gleiche Frage und fügte hinzu, daß er selbst ja sicher nicht in Frage käme, weil er doch bereits 2 Chöre leite. Darauf antwortete Heere Wurpts aber, dass er durchaus noch Interesse an einem dritten Chor habe und nur noch nicht dazu gekommen sei, selber den Chor anzurufen. Alles weitere regelte sich. Am ersten Übungsabend im neuen Jahr startete der Chor mit Heere Wurpts in eine neue Ära. Seine freundliche und lockere Art, sein ansprechendes Liedgut und seine exzelente Klavierbegleitung lassen die Chorproben zum Vergnügen werden.